Unter dem Motto “Poeten für mehr Menschlichkeit” fand auf dem Münchner Marienplatz am 25. Oktober 2017 eine Demonstration mit dem Fokus auf Lyrik und Menschenrechte statt. Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Ländern sprachen und lasen an einem Amnesty-International-Stand und zogen im Lauf des etwa einstündigen Events eine beträchtliche Menschentraube in ihren Bann.

Ich habe zum Thema Lyrik und Menschenrechte auf dieser Veranstaltung zwei kurze Statements abgegeben:

Lyrik und Menschenrechte

“Wir sprechen in letzter Zeit sehr viel von Sicherheit. Wir haben ein Recht auf Sicherheit. Wir wollen in Frieden leben. Um diese Sicherheit zu erreichen, brauchen wir Kontrolle. Wir müssen Straßen und Plätze kontrollieren, das Geschehen im Internet, das Verhalten von Menschen. Wir wissen auch, dass diese Form der Kontrolle unangenehm ist. Wir wehren uns dagegen, wenn ständig jemand hinter uns steht, der uns kontrolliert und bewertet. Der uns sagt: Das darfst du machen und das nicht. Das hast du richtig gemacht und das nicht. Wir halten das in unseren Familien manchmal schwer aus, und wir halten es in der Arbeitswelt schwer aus. Wir spüren: Wir können nur Mensch sein, wenn wir nicht ständig kontrolliert werden. Wenn wir also nicht alles kontrollieren. Es gibt nicht nur ein Recht auf Sicherheit, sondern auch ein Recht auf Unsicherheit. Das bedeutet, dass wir manchmal überrascht werden. Auch von uns selbst.

Nicht zu wissen, was wahr ist,
nur zu wissen, was unwahr ist,
nicht zu wissen, was hier ist,
und sich heute an noch nichts
erinnert zu haben.

* * *

Wenn ich nicht mehr weiß,
was ich dich noch fragen soll,
bin ich hier, als wäre ich hier, und
überlege, wie die sind, die wie du sind.” 

“Zu den Menschenrechten auf Sicherheit und auf Unsicherheit gehört das Recht, beheimatet zu sein. Heimat heißt zu wissen und zu spüren, was man hier tut und wie. Eine Form der Geborgenheit. Aber Heimat heißt auch, nicht immer mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Unter Freunden kann man auch Streit austragen. Wenn mir jemand zu vorsichtig begegnet, weil er nicht recht weiß, was er mit mir anfangen soll, merke ich, dass ich fremd bin.

Zwischen zwei Glas Wein
warte ich auf Widerspruch.
Vergebens — ich bin hier
noch nicht zu Hause.”

Nach diesem Statement kam ein Mann auf mich zu und sagte sehr ernst: “Sie haben da nicht Recht.” Und dann lockerten sich seine Gesichtszüge, schließlich zu einem feinen Lächeln: “Jetzt habe ich Ihnen widersprochen. Herzlich willkommen!”

Danke!