Bevor ich hier mein Gedicht über Siedler von Catan präsentiere, muss ich natürlich die Siedler-Geschichte dahinter erzählen.

Viertel nach neun war es schon, abends, da klopft man nicht mehr so ohne Weiteres bei einer amerikanischen Spitzenprofessorin an die Wohnungstür. Aber dann denkt man, naja, ich kenn sie und wir verstehen uns, und klopft. Nach einer winzigen Sekunde öffnet sie die Tür, strahlend, mit einer geöffneten Weinflasche in der Hand. “Is this the game call?” Indeed, it is.

Wir bauen das Spiel auf. Der puerto-ricanische Dokumentarfilmer, dem es gehört, schaut zwischen buschigen Haaren und buschigem Bart durch seine gigantischen, dunklen Brillengläser und prüft, ob alles stimmt. Der deutschsprachige Autor setzt sich neben die australische Malerin. Einer fehlt diesmal: der palästinensische Junge. Er darf heute nicht mitspielen, weil er es beim letzten Mal überzogen hat. Seine Mutter stand um 23 Uhr schweigend im Raum, und ohne etwas zu sagen, ging er auf sie zu — der eben noch schallend gelacht und gewieft gehandelt hatte.

Ihn dabeizuhaben, war umso schöner, als das Spiel ja “Siedler” heißt und er wegen ganz anderer Siedlungen nicht in seiner Heimat lebt. Sein Vater hat eine Professur in einem arabischen Land, weit entfernt vom Mittelmeer.

“Die Siedler von Catan” ist wahrscheinlich das schlauste und spannendste Spiel überhaupt. Recht komplex, aber unmittelbar eingängig. Es dauert lang, wenn es allen Spaß macht, denn dann kommt man ins Schwätzen, ins Debattieren über Spielzüge und vermeintliche Übervorteilungen, man wägt ab und schenkt einander natürlich auch gern nach.

Fünf Rohstoffe gibt es, und die Spieler brauchen Lehm, Holz, Erz, Getreide und Schafe, um mit diesem Wohlstand Straßen, Siedlungen und Städte bauen zu können. Würfelglück und Räubereien bringen Pläne durcheinander, aber wer vorausdenkt, kommt ans Ziel: als erster sein Reich bis zu einer bestimmten Größe zu erweitern. Meist wird es am Ende knapp, fast nie zeichnet sich früh ein Sieger ab.

Wir spielen eine Runde, und als wir gegen halb zwölf fertig sind, machen wir halbherzige Anstalten, die Spielmaterialien zusammenzupacken. Jeder bemüht sich, es ganz besonders langsam zu tun, bis sich die Blicke an diesem Dienstag Abend doch treffen und wir erleichtert beschließen: noch eine Runde.

Literaturbote 109 110Klaus Teuber hat “Die Siedler von Catan” erfunden, und weil ihm dafür Dank gebührt, habe ich beschlossen, meinen Dank in einer Elegie auszudrücken, in klassischen Distichen, im Hölderlin’schen Ton. Mein Gedicht über Siedler von Catan steht nun in Ausgabe 109/110 der Zeitschrift L. Der Literaturbote.

 

Selig einander benachbart grenzt dort Weide an Weide,
Acker, Gebirge und Wald wechseln sich farbenreich ab.
Glückliche Augen lassen Weiden Wolle erzeugen,
Ich aber sehne mich sehr um meiner Straße nach Lehm.
Siedlung und Stadt bei den Hügeln meidet der lästige Würfel,
Drüben den Wald mit der Fünf grüßt er dagegen recht gern.
Meine gewundene Straße endet seit je an der Wüste.
Lehm verwehrt mir das Glück, Tausch auch gewinnt ihn mir nicht.
Brauchst du, so fragst du mich, Spieler, Holz für den Bau einer Straße?
Was mir zum Weiterbau fehlt, ist nur der einfache Lehm.

 

Wie’s weitergeht, wird hier natürlich nicht verraten, denn den Redakteuren des verdienstlichen Literaturboten will man nicht das Wasser abgraben. Das Heft 109/110 kostet 10 Euro, und alles andere, was drinsteht, ist eigentlich noch viel spannender als die kleine Elegie “An Teuber”, mein Gedicht über Siedler von Catan, das beste Brettspiel überhaupt! HIER BESTELLEN.

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Christophe Fricker
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